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War die Zukunft früher besser? Akademische und außerakademische Berufsperspektiven in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften

Stephan Lessenich eröffnet die Tagung "Berufsperspektiven in den Geisteswissenschaften"

Im Februar 2017 haben die Fachverbände Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE), Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK), Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS), Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) und Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) in Kooperation mit der Schader-Stiftung erstmalig eine gemeinsame wissenschaftspolitische Konferenz zum Thema »Berufsperspektiven in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften« veranstaltet. Ausgangspunkt der Veranstaltung waren die prekären Bedingungen, unter denen der sogenannte Mittelbau oder wissenschaftliche Nachwuchs über die Fächergrenzen hinweg arbeitet. Befristete Qualifizierungs- und Projektstellen führen zu mangelnder Planbarkeit der Karrieren …

Einführung. Wissenschaftlicher Nachwuchs: Unwucht im System korrigieren

Martin Schulze Wessel Die Lage an den deutschen Hochschulen ist, auch in den Geisteswissenschaften, in vielerlei Hinsicht gut: Der Spezialisierungsgrad der Forschung ist hoch, Forschungsmittel stehen durch die nationalen und europäischen Förderinstitutionen in beträchtlichem Maße zur Verfügung, und man kann an fast allen deutschen Universitäten wieder gebührenfrei studieren. Im Vergleich mit vielen anderen europäischen Ländern erscheint die Situation der Hochschule in Deutschland durchaus komfortabel.

Der Nachwuchs aus Sicht der Zeitgeschichte. Ein Interview mit Thomas Etzemüller

Wann haben sich für Sie die Weichen gestellt, einen wissenschaftlichen Berufsweg einzuschlagen? Nach der Promotion wusste ich nicht, ob ich tatsächlich im Wissenschaftsbetrieb bleiben will. Um Zeit zu gewinnen, hatte ich erfolgreich ein DFG-Projekt beantragt und anschließend eine Stelle an einem SFB bekommen. Erst als ich 2003 zum Juniorprofessor berufen worden bin, war mir klar, dass ich in der Wissenschaft bleiben würde.

Auf Eisschollen. Die akademische Laufbahn in Zeiten diversifizierter Qualifikationswege

Fabian Krämer Dass es Mut erfordert, sich für eine akademische Laufbahn zu entscheiden, ist nicht neu. Ungewöhnlich ist hingegen die Intensität, mit der die Situation des »wissenschaftlichen Nachwuchses« in Deutschland derzeit innerhalb wie außerhalb des akademischen Betriebs diskutiert wird.1 Diese Chance sollte von Seiten der Geschichtswissenschaft genutzt werden; denn der Weg hin zur Professur ist nicht nur traditionell schwierig, sondern zusätzlich in nie dagewesenem Maße unübersichtlich. Das Zusammentreffen beider Faktoren hat das Potenzial, das Wissenschaftssystem insgesamt zu schädigen.

Der Nachwuchs aus Sicht der Alten Geschichte. Ein Interview mit Hartmut Leppin

Sie haben seit 2001 einen Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. War dieser Weg für Sie seit dem Studium vorgezeichnet? Einen festen Entschluss, an der Universität zu bleiben, habe ich vor meinem ersten Ruf nicht gefasst, aber ich hatte dieses Ziel schon während des Studiums als besonders erstrebenswerte Möglichkeit vor Augen, habe jedoch immer meinen Plan B, Lehrer zu werden, im Blick gehabt. Der Grund war eben, dass ich meine Situation als äußerst prekär empfunden habe.

Welche Alternativen für den wissenschaftlichen Nachwuchs?

Ulrich Herbert Niemand soll glauben, dass die Standards der universitären Lehre in unserem wie in anderen Fächern die gewaltige Expansion der Universitäten seit der hochschulpolitischen Wende der frühen 2000er Jahre unbeschadet überstehen könnten. Die Politik der KMK und noch mehr die mancher Wissenschaftsministerien legt es geradezu darauf an, die Standards so sehr nach unten anzupassen, dass nicht nur die Zahl der Studierenden, sondern auch die der Absolventen rapide ansteigt. Es ist nicht ganz klar, wozu das dienen soll.

Pluralität und Differenzierung in den Karrierewegen: Viele Wege sollten nach Rom führen, aber nicht alle

Dagmar Ellerbrock und Martin Jehne Die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses hat sich seit den 1990er Jahren in mancher Hinsicht verschlechtert. Das späte Eintrittsalter in eine unbefristete Position, das schon lange ein Merkmal des deutschen Wissenschaftssystems darstellt, ist unverändert, vielleicht sogar noch hinausgeschoben. Die erheblich angewachsenen Möglichkeiten, auf Drittmittelprojekten eine Finanzierung für einige Jahre zu ergattern, verkleistern eher den Blick für die begrenzten Chancen, sich auf Dauer im System zu etablieren, als dass sie die Aussichten verbesserten.

Nachwuchspflege

Werner Plumpe Derzeit wird wieder einmal über die Lage des Nachwuchses an den Universitäten diskutiert und wieder wird nicht über das eigentliche Problem geredet, sondern so getan, als gehe es um soziale Fragen. Doch ist das im Kern unzutreffend, weil im Fall der Universitäten akademische Probleme vorrangig sind. Worum geht es? Gemessen an der Zahl verfügbarer Dauerstellen für wissenschaftlich qualifiziertes Personal gibt es zu viele (potenzielle) Bewerber. Die Anzahl der nicht auf Dauerstellen beschäftigten Menschen ist daher hoch; die Wartezeiten, bis eine Entscheidung über eine …

Tenure Track — die neue Mannheimer Schule?

Ernst-Ludwig von Thadden Obwohl Tenure Track in der deutschen Wissenschaftspolitik seit Jahren ein weit verbreitetes Modewort ist, ist es in Deutschland kaum wirklich umgesetzt. Ein entscheidender Grund hierfür ist die kameralistische Verwaltung deutscher Universitäten, die für jeden Professor und jede Professorin eine entsprechende haushaltsrechtliche »Stelle« braucht. Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren, die sich auf ihrer sechsjährigen W1-Stelle bewährt haben, können also nur dann befördert werden, wenn eine entsprechende Stelle (W2 oder W3) zur Verfügung steht. Behelfsweise kann man den Tenure Track auf einer W2-Stelle beginnen lassen (so …

Wissenschaft braucht Wettbewerb und keine Planstellen

Ulrike Ludwig Die Situation des akademischen Nachwuchses wird seit einigen Jahren intensiv diskutiert und sie gilt vielen vor allem als eins: als prekär! Die Zuspitzung auf diese Formel hat zweifellos dazu beigetragen, die mitunter schwierige Situation von Akademikern und Akademikerinnen vor »dem Ruf« stärker ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit zu rücken. Und wohl auch deshalb wird seit einiger Zeit verstärkt über andere Wege der universitären Personalpolitik nachgedacht.