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Akademische Fluchthilfe aus Deutschland: neue Perspektiven

Gründerinnen der IFUW (International Federation of University Women)und Teilnehmerinnen an deren 2. internationalen Versammlung; Fluchthilfe für Akademikerinnen

Christine von Oertzen Die akademische Zwangsemigration nach 1933 wird überwiegend als Geschichte der Emigration männlicher Wissenschaftler und männlicher Netzwerke der Exzellenz erzählt. Frauen hingegen gerieten lange hauptsächlich als Ehefrauen gesuchter Spitzenforscher in den Blick, als diejenigen, welche die praktischen Herausforderungen von Flucht und Neuanfang zu meistern hatten. Als Forschende und Lehrende hingegen galten weibliche Akademiker bis in die jüngste Zeit als Ausnahmeerscheinungen und zudem als diejenigen, die an den besonderen Herausforderungen und Schwierigkeiten der Zwangsemigration überwiegend scheiterten. Als wichtiges Indiz hierfür wird angeführt, dass nur …

Einführung. Wissenschaftlicher Nachwuchs: Unwucht im System korrigieren

Martin Schulze Wessel Die Lage an den deutschen Hochschulen ist, auch in den Geisteswissenschaften, in vielerlei Hinsicht gut: Der Spezialisierungsgrad der Forschung ist hoch, Forschungsmittel stehen durch die nationalen und europäischen Förderinstitutionen in beträchtlichem Maße zur Verfügung, und man kann an fast allen deutschen Universitäten wieder gebührenfrei studieren. Im Vergleich mit vielen anderen europäischen Ländern erscheint die Situation der Hochschule in Deutschland durchaus komfortabel.

Dem Zufall ein Schnippchen schlagen

Stephan Lessenich »Das akademische Leben ist also ein wilder Hazard«, wusste schon Max Weber in Wissenschaft als Beruf zu berichten: »Wenn junge Gelehrte um Rat fragen kommen wegen ihrer Habilitation, so ist die Verantwortung des Zuredens fast nicht zu tragen.« Dass Weber hier mal wieder eine scheinbar zeitlos gültige Wahrheit des sozialen Lebens an- und ausgesprochen hat, darf zwar als ein weiterer Mosaikstein seines fraglos gerechtfertigten Nachruhms gelten, macht die Sache für die heutigen Gelehrten allerdings nicht besser. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn Martin …

Welche Alternativen für den wissenschaftlichen Nachwuchs?

Ulrich Herbert Niemand soll glauben, dass die Standards der universitären Lehre in unserem wie in anderen Fächern die gewaltige Expansion der Universitäten seit der hochschulpolitischen Wende der frühen 2000er Jahre unbeschadet überstehen könnten. Die Politik der KMK und noch mehr die mancher Wissenschaftsministerien legt es geradezu darauf an, die Standards so sehr nach unten anzupassen, dass nicht nur die Zahl der Studierenden, sondern auch die der Absolventen rapide ansteigt. Es ist nicht ganz klar, wozu das dienen soll.

Pluralität und Differenzierung in den Karrierewegen: Viele Wege sollten nach Rom führen, aber nicht alle

Dagmar Ellerbrock und Martin Jehne Die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses hat sich seit den 1990er Jahren in mancher Hinsicht verschlechtert. Das späte Eintrittsalter in eine unbefristete Position, das schon lange ein Merkmal des deutschen Wissenschaftssystems darstellt, ist unverändert, vielleicht sogar noch hinausgeschoben. Die erheblich angewachsenen Möglichkeiten, auf Drittmittelprojekten eine Finanzierung für einige Jahre zu ergattern, verkleistern eher den Blick für die begrenzten Chancen, sich auf Dauer im System zu etablieren, als dass sie die Aussichten verbesserten.

Der Nachwuchs aus Sicht der Sinologie. Ein Interview mit Nicola Spakowski

Frau Spakowski, Sie sind seit 2010 Professorin für Sinologie an der Universität Freiburg. Bitte geben Sie uns einen kleinen Einblick in Ihren Karriereverlauf. Meine eigene Karriere verlief für damalige Verhältnisse klassisch, von der wissenschaftlichen Hilfskraft über die wissenschaftliche Mitarbeiterin zur wissenschaftlichen Assistentin an ein und demselben Lehrstuhl. Ich hatte durchgehend eine Anstellung bzw. Aussicht auf eine solche und somit keinen Anlass, meine Situation als prekär zu empfinden. Die bewusste Entscheidung für die Wissenschaft traf ich dann quasi mit den ersten Bewerbungen auf Professuren und Juniorprofessuren, …

Quellenkritik im digitalen Zeitalter Die Historischen Grundwissenschaften als zentrale Kompetenz der Geschichtswissenschaft und benachbarter Fächer

Eva Schlotheuber und Frank Bösch Die Kompetenz, schriftliche und materielle Originalquellen vergangener Zeiten entschlüsseln und für die eigenen Fragestellungen fruchtbar machen zu können, ist die Grundvoraussetzung für die Arbeit aller historisch ausgerichteten Disziplinen — nicht nur in der Geschichtswissenschaft, sondern auch in benachbarten Fächern wie den Philologien, der Philosophie, Theologie, Kunst- oder der Rechtsgeschichte. Die Fähigkeit zur eigenständigen Erschließung und wissenschaftlichen Würdigung (Quellenkritik) der Originalüberlieferung markiert einen wesentlichen Unterschied zwischen Geschichtsinteresse und Forschung.