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Der Nachwuchs aus Sicht der Zeitgeschichte. Ein Interview mit Thomas Etzemüller

Wann haben sich für Sie die Weichen gestellt, einen wissenschaftlichen Berufsweg einzuschlagen? Nach der Promotion wusste ich nicht, ob ich tatsächlich im Wissenschaftsbetrieb bleiben will. Um Zeit zu gewinnen, hatte ich erfolgreich ein DFG-Projekt beantragt und anschließend eine Stelle an einem SFB bekommen. Erst als ich 2003 zum Juniorprofessor berufen worden bin, war mir klar, dass ich in der Wissenschaft bleiben würde.

Der Nachwuchs aus Sicht der Mittelalterlichen Geschichte. Ein Interview mit Andreas Ranft

Lieber Herr Ranft, bitte geben Sie uns einen kurzen Einblick in den Beginn Ihrer akademischen Karriere. Welche Schwerpunkte haben Sie in Ihrem Studium gesetzt? Mein Studium war nicht mit einem bestimmten Berufsziel verbunden geschweige denn mit der Idee, Professor zu werden. Ich wollte mich bilden und fühlte mich an der Universität vom Curriculumszwang der Schule endlich entbunden und empfand die Universität als Hort geistiger Freiheit und selbstbestimmten Lernens und Lebens – das habe ich weidlich genutzt und genossen, indem ich vieles andere und nicht nur …

Auf Eisschollen. Die akademische Laufbahn in Zeiten diversifizierter Qualifikationswege

Fabian Krämer Dass es Mut erfordert, sich für eine akademische Laufbahn zu entscheiden, ist nicht neu. Ungewöhnlich ist hingegen die Intensität, mit der die Situation des »wissenschaftlichen Nachwuchses« in Deutschland derzeit innerhalb wie außerhalb des akademischen Betriebs diskutiert wird.1 Diese Chance sollte von Seiten der Geschichtswissenschaft genutzt werden; denn der Weg hin zur Professur ist nicht nur traditionell schwierig, sondern zusätzlich in nie dagewesenem Maße unübersichtlich. Das Zusammentreffen beider Faktoren hat das Potenzial, das Wissenschaftssystem insgesamt zu schädigen.

Dem Zufall ein Schnippchen schlagen

Stephan Lessenich »Das akademische Leben ist also ein wilder Hazard«, wusste schon Max Weber in Wissenschaft als Beruf zu berichten: »Wenn junge Gelehrte um Rat fragen kommen wegen ihrer Habilitation, so ist die Verantwortung des Zuredens fast nicht zu tragen.« Dass Weber hier mal wieder eine scheinbar zeitlos gültige Wahrheit des sozialen Lebens an- und ausgesprochen hat, darf zwar als ein weiterer Mosaikstein seines fraglos gerechtfertigten Nachruhms gelten, macht die Sache für die heutigen Gelehrten allerdings nicht besser. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn Martin …

Der Nachwuchs aus Sicht der Frühen Neuzeit. Ein Interview mit Barbara Stollberg-Rilinger

Die Universität Münster ist seit 1997 Mittelpunkt Ihrer Forschung und Lehre. Geben Sie uns einen kleinen Einblick in Ihren Karriereverlauf. Ich habe nie systematisch geplant, Hochschullehrerin zu werden; das hat sich mehr oder weniger einfach so ergeben. Nach dem Staatsexamen bot mir mein damaliger Prüfer eine Mitarbeiterstelle an, weil gerade eine frei war. Nach der Promotion kamen meine zwei Kinder zur Welt. Ich hatte eine kurze Kinderpause und bekam anschließend ein Wiedereinstiegsstipendium des Landes NRW, sodass ich mich habilitieren konnte. Mit 30 Jahren habe ich …

Nachwuchswissenschaftler und »maîtrise de conférences« in Frankreich

Johann Chapoutot Die Deutschen sind zurück! Hier geht es nicht um Fußball und Weltmeisterschaft, sondern um Wissenschaft – und der Witz soll die Stimmung in unseren Berufungskommissionen erheitern, wo wir Dozenten und Professoren »wählen« (Frankreich ist schließlich ja eine Demokratie) sollen. Als Mitglied vieler dieser Kommissionen konnte ich das Phänomen selbst beobachten: Viele Kollegen aus Deutschland bewerben sich in Frankreich für Professoren- und Dozentenstellen. Woran liegt das? Freilich nicht am Gehalt, das wohlbekannt diesseits des Rheins eher spärlich, wenn nicht lächerlich ist. Auch nicht an …

Der Nachwuchs aus Sicht der Alten Geschichte. Ein Interview mit Hartmut Leppin

Sie haben seit 2001 einen Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. War dieser Weg für Sie seit dem Studium vorgezeichnet? Einen festen Entschluss, an der Universität zu bleiben, habe ich vor meinem ersten Ruf nicht gefasst, aber ich hatte dieses Ziel schon während des Studiums als besonders erstrebenswerte Möglichkeit vor Augen, habe jedoch immer meinen Plan B, Lehrer zu werden, im Blick gehabt. Der Grund war eben, dass ich meine Situation als äußerst prekär empfunden habe.

Pluralität und Differenzierung in den Karrierewegen: Viele Wege sollten nach Rom führen, aber nicht alle

Dagmar Ellerbrock und Martin Jehne Die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses hat sich seit den 1990er Jahren in mancher Hinsicht verschlechtert. Das späte Eintrittsalter in eine unbefristete Position, das schon lange ein Merkmal des deutschen Wissenschaftssystems darstellt, ist unverändert, vielleicht sogar noch hinausgeschoben. Die erheblich angewachsenen Möglichkeiten, auf Drittmittelprojekten eine Finanzierung für einige Jahre zu ergattern, verkleistern eher den Blick für die begrenzten Chancen, sich auf Dauer im System zu etablieren, als dass sie die Aussichten verbesserten.

Nachwuchspflege

Werner Plumpe Derzeit wird wieder einmal über die Lage des Nachwuchses an den Universitäten diskutiert und wieder wird nicht über das eigentliche Problem geredet, sondern so getan, als gehe es um soziale Fragen. Doch ist das im Kern unzutreffend, weil im Fall der Universitäten akademische Probleme vorrangig sind. Worum geht es? Gemessen an der Zahl verfügbarer Dauerstellen für wissenschaftlich qualifiziertes Personal gibt es zu viele (potenzielle) Bewerber. Die Anzahl der nicht auf Dauerstellen beschäftigten Menschen ist daher hoch; die Wartezeiten, bis eine Entscheidung über eine …

Tenure Track — die neue Mannheimer Schule?

Ernst-Ludwig von Thadden Obwohl Tenure Track in der deutschen Wissenschaftspolitik seit Jahren ein weit verbreitetes Modewort ist, ist es in Deutschland kaum wirklich umgesetzt. Ein entscheidender Grund hierfür ist die kameralistische Verwaltung deutscher Universitäten, die für jeden Professor und jede Professorin eine entsprechende haushaltsrechtliche »Stelle« braucht. Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren, die sich auf ihrer sechsjährigen W1-Stelle bewährt haben, können also nur dann befördert werden, wenn eine entsprechende Stelle (W2 oder W3) zur Verfügung steht. Behelfsweise kann man den Tenure Track auf einer W2-Stelle beginnen lassen (so …