Stephan Lessenich »Das akademische Leben ist also ein wilder Hazard«, wusste schon Max Weber in Wissenschaft als Beruf zu berichten: »Wenn junge Gelehrte um Rat fragen kommen wegen ihrer Habilitation, so ist die Verantwortung des Zuredens fast nicht zu tragen.« Dass Weber hier mal wieder eine scheinbar zeitlos gültige Wahrheit des sozialen Lebens an- und ausgesprochen hat, darf zwar als ein weiterer Mosaikstein seines fraglos gerechtfertigten Nachruhms gelten, macht die Sache für die heutigen Gelehrten allerdings nicht besser. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn Martin …
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Pluralität und Differenzierung in den Karrierewegen: Viele Wege sollten nach Rom führen, aber nicht alle
Dagmar Ellerbrock und Martin Jehne Die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses hat sich seit den 1990er Jahren in mancher Hinsicht verschlechtert. Das späte Eintrittsalter in eine unbefristete Position, das schon lange ein Merkmal des deutschen Wissenschaftssystems darstellt, ist unverändert, vielleicht sogar noch hinausgeschoben. Die erheblich angewachsenen Möglichkeiten, auf Drittmittelprojekten eine Finanzierung für einige Jahre zu ergattern, verkleistern eher den Blick für die begrenzten Chancen, sich auf Dauer im System zu etablieren, als dass sie die Aussichten verbesserten.
Nachwuchspflege
Werner Plumpe Derzeit wird wieder einmal über die Lage des Nachwuchses an den Universitäten diskutiert und wieder wird nicht über das eigentliche Problem geredet, sondern so getan, als gehe es um soziale Fragen. Doch ist das im Kern unzutreffend, weil im Fall der Universitäten akademische Probleme vorrangig sind. Worum geht es? Gemessen an der Zahl verfügbarer Dauerstellen für wissenschaftlich qualifiziertes Personal gibt es zu viele (potenzielle) Bewerber. Die Anzahl der nicht auf Dauerstellen beschäftigten Menschen ist daher hoch; die Wartezeiten, bis eine Entscheidung über eine …
Tenure Track — die neue Mannheimer Schule?
Ernst-Ludwig von Thadden Obwohl Tenure Track in der deutschen Wissenschaftspolitik seit Jahren ein weit verbreitetes Modewort ist, ist es in Deutschland kaum wirklich umgesetzt. Ein entscheidender Grund hierfür ist die kameralistische Verwaltung deutscher Universitäten, die für jeden Professor und jede Professorin eine entsprechende haushaltsrechtliche »Stelle« braucht. Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren, die sich auf ihrer sechsjährigen W1-Stelle bewährt haben, können also nur dann befördert werden, wenn eine entsprechende Stelle (W2 oder W3) zur Verfügung steht. Behelfsweise kann man den Tenure Track auf einer W2-Stelle beginnen lassen (so …
Quellenkritik im digitalen Zeitalter Die Historischen Grundwissenschaften als zentrale Kompetenz der Geschichtswissenschaft und benachbarter Fächer
Eva Schlotheuber und Frank Bösch Die Kompetenz, schriftliche und materielle Originalquellen vergangener Zeiten entschlüsseln und für die eigenen Fragestellungen fruchtbar machen zu können, ist die Grundvoraussetzung für die Arbeit aller historisch ausgerichteten Disziplinen — nicht nur in der Geschichtswissenschaft, sondern auch in benachbarten Fächern wie den Philologien, der Philosophie, Theologie, Kunst- oder der Rechtsgeschichte. Die Fähigkeit zur eigenständigen Erschließung und wissenschaftlichen Würdigung (Quellenkritik) der Originalüberlieferung markiert einen wesentlichen Unterschied zwischen Geschichtsinteresse und Forschung.