Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands und der Verband der Geschichtslehrer Deutschlands haben auf ihren Mitgliederversammlungen auf dem 51. Deutschen Historikertag in Hamburg im September 2016 eine Resolution zum Schulfach Geschichte beschlossen:1
1 Geschichtsunterricht ist unentbehrlich.
Angesichts der aktuellen politischen, ökonomischen und sozialen Verwerfungen auf nationaler, europäischer und globaler Ebene muss eine Gegenwartsorientierung auf breiten historischen Bezügen, Vergleichen und Reflexionen beruhen. Der Geschichtsunterricht gewährleistet deren Vermittlung.
2 Genügend Zeit ist notwendig.
Guter Geschichtsunterricht setzt eine angemessene Unterrichtszeit voraus. In den letzten Jahren hat aber der Geschichtsunterricht in der Sekundarstufe I in vielen Bundesländern zum Teil erhebliche Kürzungen hinnehmen müssen. Er sollte auf allen Klassenstufen der Sekundarstufe I mit zwei Stunden vertreten sein.
3 Die Fachlichkeit ist zu sichern.
Die Ziele, Denk- und Arbeitsweisen des Faches müssen verlässlich im Unterricht vermittelt werden. Nur eine entsprechende fachliche Qualifikation der Lehrkräfte kann dies erreichen.
4 Ein breites Spektrum des Faches Geschichte sichert die Qualität.
Der Geschichtsunterricht in der Sekundarstufe II sollte einschlägige Themen, Fragen und Herangehensweisen aus einem breiten Spektrum des Faches, darunter auch ausgewählte Gebiete aus vormodernen Epochen, berücksichtigen, um eine gehaltvolle historische Aufklärung zu erreichen.
5 Geschichte ist ein Denkfach.
Geschichtsunterricht soll Schülerinnen und Schülern ein reflektiertes Geschichtsbewusstsein vermitteln. Genau darauf zielt eine richtig verstandene Kompetenzorientierung. Die Schülerinnen und Schüler sollen an den historischen Inhalten wichtige Denk- und Arbeitsweisen des Faches erlernen und den öffentlichen Umgang mit Geschichte reflektieren können. Auch dafür ist die Beschäftigung mit einem breiten Spektrum relevanter Themen geboten.
1 Die Resolution kann auch abgerufen werden unter: http://www.historikerverband.de/presse/pressemitteilungen/gemeinsame-erklaerung-des-vhd-und-des-vgd-zum-schulfach-geschichte.html
Brage Bei der Wieden
-Gut, dass der Verband sich hier positioniert! Im Schulunterricht entscheidet sich, wie Geschichte und Geschichtswissenschaft zukünftig in der Gesellschaft verankert sein werden. Einem Fach „Geschichte“, das sich nur als „Denkfach“ begreift, geht der Inhalt verloren. In der Diskussion vermisse ich Überlegungen zur Integrationsleistung der Geschichte für die Gesellschaft. Allgemein bekannte Traditionen und Narrative sind dafür unabdingbar. Was natürlich zu der Forderung führt, einen Grundbestand an historischen Erzählungen zu definieren, zu diskutieren, zu vermitteln – und in öffentlicher Auseinandersetzung auch wieder zu hinterfragen!
Maximillian
-Und in Berlin wird Geschichte demnächst nur noch mit 6 Stunden von 7-10 unterrichtet. Bisher hatte man 8h für Geschichte/Sozialkunde; wobei in den Schulen kaum Sozialkunde unterrichtet wurde. Faktisch hatte man also fast also 2 Stunden Geschichte am Gymnasium pro Jahrgang. Nach dem aktuellen Stand wird Sozialkunde herausgelöst (volle Zustimmung meinerseits!), sodass man in Klasse 7 und 9 nur noch eine Stunde Geschichte hat. Eigentlich sollte auch das Fach Ethik in den Kompromiss einbezogen werden, hat es aber durch Lobbyarbeit geschafft, nicht eine einzige Stunde abzugeben. Würde mir wünschen, dass sich der Verband in die Debatte einschaltet.
(https://www.proethik.info/ 18.10.17 Stand politische Bildung)
Kristina Matron (VHD)
-Vielen Dank für Ihren Kommentar und Ihren Hinweis auf die Situation in Berlin. Bezogen auf die Unterrichtspraxis haben Sie wahrscheinlich Recht. Betrachtet man jedoch die Studenkontingente, wurde tatsächlich eine leichte Verbesserung für das Fach Geschichte erreicht und zuästzlich eine Stärkung des Faches Politische Bildung. Der Geschichtslehrerverband Berlin (VGD) hat sich sehr für diese Verbesserung eingesetzt und wurde auch gehört in der Senatsverwaltung für Bildung. Die Forderung in der obenstehenden gemeinsamen Erklärung des VGD und VHD, auf allen Klassenstufen der Sekundarstufe I Geschichte zweistündig zu unterrichten, bleibt weiterhin bestehen und die Verbände setzen sich für entsprechende Verbesserungen ein.
Maximillian
-Vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Die Verbesserung ist wirklich nur auf dem Papier da. Dazu nur noch kurz ein Zitat aus dem Tagesspiegel, welcher sich auf Robert Rauh beruft:
„Für Rauh kommt es einer „Milchmädchenrechnung“ gleich, dem Geschichtsunterricht ein Drittel wegzunehmen, um die Politik zu stärken.“ (http://www.tagesspiegel.de/berlin/schule/berliner-schulen-politik-kommt-auf-den-stundenplan/19865916.html). Sinngemäß wird dort auch mehr Zeit für den neuen Rahmenlehrlan gefordert. Um nicht falsch verstanden zu werden, ich bin ein großer Befürworter des Faches Politische Bildung.
Ich hätte mir aber gewünscht, dass die Geschichtsvertreter da hart geblieben werden (zumindest in Klasse 9 2 Stunden) – dass PB kommt, war ja relativ klar; dahinter konnte der Senat ja nicht mehr zurück. Und der Fachverband Ethik hat sich da einfach besser verkauft – oder ist einfach sturr geblieben. Ethik bleibt zweistündig und ist nun das einzige gesellschaftswissenschaftliche Fach in der Sek I mit 8 Stunden, Ge demächst wohl 6, Geo 4, PB 4.
Eine Änderung der Stundentafel, die zu einer Zweistündigkeit von Geschichte führt, wird es damit für die nächsten Jahre – vielleicht sogar Jahrzehnt dann einfach auch nicht mehr geben.