Ulrich Bongertmann

Seit über 100 Jahren gibt es den Verband der Geschichtslehrer Deutschlands (VGD) als eigenen, unabhängigen Berufs- und Interessenverband. Sein Hauptzweck ist die Förderung der historisch-politischen Bildung in der Schule und Hochschule. Entsprechend der föderalen Struktur der Bundesrepublik ist er in Landesverbänden organisiert, die in Abstimmung auf die speziellen Bedürfnisse der verschiedenen Bundesländer eigenständig Gespräche mit den Kultus- und Bildungsministerien führen, ihre Lehrerfortbildungen anbieten und mit ihren regionalen Partnern kooperieren. Die Landesvorstände sind für die Mitglieder die ersten Ansprechpartner für ihre Anliegen. Diese liegen meistens in der fundierten Auseinandersetzung mit den dienstlichen Vorgaben für den Geschichtsunterricht, insbesondere den Lehr- und Rahmenplänen, Prüfungen und Arbeitsbedingungen. Nicht weniger wichtig ist der Wunsch nach aktuellen Informationen über Entwicklungen in der Fachdidaktik, neue Schulbücher, Unterrichtszeitschriften, Materialsammlungen, Medienangebote etc.

Auf der Bundesebene gibt es als oberstes Verbandsorgan die Delegiertenkonferenz, in der die Landesverbände nach ihrer Mitgliederstärke vertreten sind und die regulär alle zwei Jahre auf dem Historikertag zusammentritt, um den sechsköpfigen Bundesvorstand zu wählen: den Bundesvorsitzenden und seinen Stellvertreter, den Schriftführer und Schatzmeister sowie zwei Beisitzer. Diese bilden den Geschäftsführenden Vorstand (GV). Der Hauptvorstand besteht aus dem GV sowie allen Landesvorsitzenden und tagt etwa alle acht Monate. Bundesweit gibt es derzeit ca. 3.100 Einzelmitglieder sowie eine Reihe von Einrichtungen als Fördermitglieder, die den Verband vielfältig unterstützen.

Die konkreten Aufgaben des GV liegen zum Beispiel in der Organisation des Deutschen Historikertages, in der Pflege der Beziehungen zu anderen bundesweit agierenden Einrichtungen, Verlagen, Museen oder Stiftungen. Dazu gehört auch der Dialog mit der Kultusministerkonferenz, wenn es um Fragen wie Bildungsstandards oder KMK-Empfehlungen zu historisch-politischen Themen geht (zuletzt zur Erinnerungskultur und zum Besuch außerschulischer Lernorte). Auf der europäischen Ebene beteiligt sich der VGD am Dachverband Euroclio (mit Sitz in Den Haag), um sich mit den Lehrervereinigungen anderer Länder und Regionen auszutauschen.

Aus diesen Kontakten entstehen immer wieder Veranstaltungen, Schriften und andere Publikationen, für deren Bekanntmachung und Verbreitung der VGD Sorge trägt. Der Kommunikation vor Ort dienen Mitgliederversammlungen und Fortbildungen. Bundesweit stehen der Newsletter (in etwa fünf Ausgaben pro Jahr mit Hinweisen auf aktuelle Ausstellungen, Filme, Projekte usw.) und die Homepage www.geschichtslehrerverband.de zur Verfügung. Auf diese Weise können unsere Partner wie die Stiftung Haus der Deutschen Geschichte, das DDR-Museum, die Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn, die Otto-von-Bismarck-Stiftung, die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung oder das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände ihre Angebote vielen Lehrkräften nahebringen. Eine sehr gute Zusammenarbeit besteht mit der Bildungsabteilung der Stasi-Unterlagen-Behörde sowie der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur. Auch die Fachbuch- und Schulbuchverlage sowie Lehrfilmanbieter wie die FWU oder LB Medien nutzen diese Kanäle.

Das wichtigste Publikationsorgan ist die Verbandszeitschrift »geschichte für heute« (bundesweit seit 2008, Wochenschau-Verlag Schwalbach/Ts.), die durch eine Redaktion von Geschichtslehrkräften betreut wird, die fachlich hochqualifiziert sind und über breite Schulerfahrung verfügen. Die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift, die jedes Mitglied erhält, bietet fachwissenschaftliche und geschichtsdidaktische Aufsätze, Nachrichten aus dem Bundes- und den Landesverbänden, aktuelle kleinere Beiträge sowie Rezensionen der für die Schule relevanten neuen Literatur.

Geschichte des VGD

Bereits im Jahr 1913, als der Verband deutscher Geschichtslehrer in Marburg gegründet wurde, zeigte er charakteristische Merkmale, die bis heute Bestand haben: Dort fanden sich Lehrkräfte (nicht nur, aber meist am Gymnasium) mit hohem fachlichen Ausbildungsstand, die den Kontakt zu Hochschulen nicht verlieren, sondern gern an neueren fachlichen Entwicklungen teilhaben mochten. Daher besuchten sie auch gern die Historikertage, war ihnen die Bildungstradition wertvoll und die Instrumentalisierung der Geschichte für allzu aktuelle Interessen unlieb. Sie wussten, dass der Bestand des Faches in der Schule nicht selbstverständlich, sondern um die Stellung der historisch-politischen Bildung dort und anderswo zu kämpfen war.

In der Weimarer Republik gehörte der Verband trotz einiger ausgleichsorientierter Kontakte zu Frankreich zu den »nationalen« Kräften. Die Gleichschaltung 1933 verlief ohne großen Widerstand. Die Neugründung 1949 geschah in enger Zusammenarbeit mit dem Verband der Historiker Deutschlands um Gerhard Ritter (Freiburg i. Br.) und Karl Bosl (München). In den folgenden Jahrzehnten waren wichtige Arbeitsfelder die Entwicklung neuer Lehrpläne und -bücher nach dem Nationalsozialismus, die Klärung des Verhältnisses zur Politischen Bildung bzw. zum neuen, noch strittigen Fach Sozialkunde, die Integration der erneuerten Geschichtswissenschaft »jenseits des Historismus« sowie vor allem in den 1970er Jahren die Sicherung eines eigenständigen Faches Geschichte gegen Integrationsmodelle einer »Gesellschaftskunde«.

Dann kam die Auseinandersetzung um den Holocaust in der Breite der deutschen Gesellschaft, damit zugleich die deutsch-jüdische Geschichte, die Etablierung einer Gedenkstättenkultur und des Zeitzeugen als Unterrichtsmedium. Mit der deutschen Einheit 1990 verbanden sich die aufwändige Gründung von Landesverbänden in den neuen Bundesländern und wiederum neue Lehrpläne und -bücher. Hier konnte der Verband mit seinem Eintreten für eine verflochtene deutsch-deutsche Parallelgeschichte erfolgreich didaktische Akzente setzen. Daneben forderten die Globalisierung und die Migrationsgesellschaft neue Ideen vom Geschichtsunterricht, ferner das Aufkommen der Neuen Medien: »Opas Schulbuchunterricht ist tot!«, lautet dazu eine prägnante Formel, deren Stimmigkeit allerdings noch in der Prüfung ist. Seit dem PISA-Schock ist zudem die Wirksamkeit von Unterricht und Lehrerausbildung in Zweifel geraten. Obendrein mussten die Hochschulen sich auf die neue Bachelor-Master-Struktur umstellen.

Gegen die Abwertung des Faches Geschichte

Unsere letzten fachpolitischen Aktivitäten richten sich gegen die wachsende Auflösung eines eigenständigen Faches Geschichte in der Sekundarstufe I und die damit einhergehende Abwertung der Fachlichkeit durch ein gesellschaftswissenschaftliches Integrationsfach. Gemeinsam mit dem Verband der Schulgeographen und der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung weisen wir mit der »Erklärung von Hannover« 2015 auf den fundamentalen Zusammenhang von fachlicher Ausbildung und hoher Unterrichtsqualität hin. Die »Marburger Erklärung« des VGD hat bereits 2013 für die Lehrerausbildung zentrale Forderungen zum Erhalt hoher Fachstandards erhoben.

Die aktuellen Projekte des VGD tragen den oben genannten Veränderungen im Feld der Themen und der Medien Rechnung. Unsere Arbeitskreise sind verschiedenen Zielen gewidmet. Großes Gewicht hat demnach die Erarbeitung von schulpraktischen Materialien

  • für das Zeitzeugenportal im Internet »Gedächtnis der Nation«,
  • für »Eure Geschichte«, das Internetportal zur Geschichte der DDR in Zusammenarbeit mit dem MDR,
  • zur deutschen Geschichte (seit 1945) in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv,
  • zur Reformationsgeschichte für ein neues Internetportal in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche Deutschlands,
  • zur Geschichte allgemein in Zusammenarbeit mit der Redaktion Geschichte des ZDF,
  • zur Globalisierung und Globalgeschichte;

 

ferner die Erarbeitung von Informationen und Positionen

  • zu Lehrerbildung und Geschichtsunterricht (zum Beispiel in der Marburger Erklärung 2013),
  • zu Kompetenzen und Bildungsstandards im Geschichtsunterricht (zuletzt im Berlin-Brandenburger Streit um den neuen Lehrplan Geschichte in der Sekundarstufe I),
  • zur deutsch-jüdischen Geschichte,
  • in mehreren Sektionen zum Thema Religion und Geschichtsunterricht auf dem Historikertag 2016 in Hamburg.

Wichtig ist die Unterstützung historischer Schülerwettbewerbe, zum Beispiel Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten (Körber-Stiftung), History-Award (History Channel), »Auf Spurensuche: Was war die DDR?« (Deutsche Gesellschaft e.V.), denkt@g Jugendwettbewerb gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus (Konrad-Adenauer-Stiftung) usw. In Zusammenarbeit mit dem Ernst-Klett-Verlag ist 2016 erstmals ein Wettbewerb für Geschichtsreferendare und Junglehrer »Das hat etwas mit mir zu tun: Der Erste Weltkrieg« durchgeführt worden, dessen Gewinner auf dem Historikertag prämiert werden sollen.

 

Verband der Geschichtslehrer Deutschlands e.V.

Ulrich Bongertmann
Ulrich Bongertmann

Ulrich Bongertmann studierte Lehramt Geschichte, Latein und Philosophie und war anschließend als Lehrer in Osnabrück und Hildesheim tätig. Seit 1993 ist er Fachleiter für Geschichte in Rostock und Schwerin. Seit 2004 ist er im Bundesvorstand des VGD, seit 2012 als Bundesvorsitzender. Er hat mehrere Publikationen zur Geschichtsdidaktik und Unterrichtspraxis veröffentlicht.