Gerald Maier und Christina Wolf
Quellen in Archiven sind die zentrale Grundlage für die historische Forschung. Mit dem Archivportal-D (www.archivportal-d.de)1 besteht seit Herbst 2014 ein zentraler kostenloser Einstiegspunkt für die Online-Recherche nach deutschen Archiven und Archivgut. Das Portal ermöglicht übergreifende Recherchen in Beständeübersichten und Findmitteln aus Archiven verschiedenster Sparten wie Staats- und Kommunalarchiven, Wirtschafts- oder Unternehmensarchiven, kirchlichen Archiven, Universitätsarchiven usw. Mit nur einem Suchvorgang erhalten Nutzer Treffer zu relevanten Erschließungsinformationen und, soweit vorhanden, auch einen direkten Zugriff auf digitalisierte Archivalien. Das Angebot bietet damit erstmals einen umfassenden überregionalen Online-Zugang zu fachgerecht aufbereiteten archivischen Informationen aller Archivtypen.2 Zugleich bildet es die erste spartenspezifische Anwendung mit den Daten der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB), dem zentralen Nachweisportal für Kulturgut und wissenschaftliche Information in Deutschland.
Die Deutsche Digitale Bibliothek als Basis des Archivportals-D
Die Deutsche Digitale Bibliothek (www.deutsche-digitale-bibliothek.de) eröffnet – anders als ihr Name vermuten lässt – einen überregionalen, zentralen und spartenübergreifenden Zugang zu den vielfältigen Beständen und Sammlungen deutscher Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen (Archiven, Bibliotheken, Museen, Mediatheken usw.) in Form von Nachweisen und, soweit vorliegend, in Form digitalisierter oder digitaler Objekte. Zugleich fungiert sie als nationaler Aggregator, also Datenzulieferer für das europäische Kulturgutportal Europeana (www.europeana.eu).
Die DDB wird von Bund und Ländern gemeinsam finanziert und von einem Kompetenznetzwerk aus Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen verschiedener Sparten mit Erfahrungen im Bereich der Digitalisierung und Online-Präsentation getragen. Am 31. März 2014 wurde die DDB als Vollversion mit rund 7,8 Millionen Objekten der Öffentlichkeit präsentiert. Aktuell sind über 18 Millionen Objekte verfügbar, von denen mehr als sechs Millionen mit Digitalisaten verknüpft sind.3
Ziele und Realisierung eines deutschen Archivportals
Während die DDB einen gemeinsamen Zugangspunkt zum kulturellen und wissenschaftlichen Erbe aus verschiedensten Kulturgut bewahrenden Sparten bildet, trägt das Archivportal-D besonders den Erfordernissen bei der Abbildung archivischer Erschließungsinformationen Rechnung. Es wurde als eigene Präsentationsschicht auf die archivischen Inhalte der DDB realisiert. Das Archivportal-D bietet daher zusätzliche Recherchemöglichkeiten und eine an archivische Strukturen und Hierarchien angepasste Darstellung mit Verankerung einer Erschließungseinheit innerhalb ihres Entstehungskontexts (Tektonik oder Klassifikation).
Der Nachweis der in Archiven digital verfügbaren Erschließungsleistungen erfolgte bisher vorwiegend in institutionseigenen Informationssystemen sowie allenfalls zusätzlich in Archivtyp spezifischen oder regionsbezogenen Plattformen.4 Mit dem Archivportal-D können nun die institutionellen Online-Ressourcen gebündelt werden. Insbesondere für die wissenschaftlichen Archivnutzer, die sich im Zeitalter der Digital Humanities zunehmend auf digitale Arbeitsweisen einstellen, führt eine zentrale Bereitstellung des relevanten Forschungsmaterials über das Internet zu einer erheblichen Erleichterung ihrer Forschungsarbeit.
Das Archivportal-D wurde ab 2012 in enger Verknüpfung mit der DDB im Rahmen eines DFG-Projekts mit zunächst zweijähriger Laufzeit und einem weiteren Jahr Verlängerung vom Landesarchiv Baden-Württemberg, FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur und weiteren Partnern entwickelt. Seit dem erfolgreichen Onlinegang des Portals im Herbst 2014 widmet sich die zweite Projektphase zum einen der weiteren Konsolidierung des Systems und der Integration weiterer Daten. Zum anderen werden Verfahren zur automatisierten Normdatenanreicherung in Verbindung mit der Gemeinsamen Normdatei (GND)5 der Deutschen Nationalbibliothek erprobt, um den Einsatz von Normdaten insbesondere im Bereich Personen / Persönlichkeiten und Geografie in der archivischen Erschließung voranzubringen.6 Der reguläre Betrieb sowie erforderliche Weiterentwicklungen werden nach Ablauf der DFG-Förderung Anfang 2017 im Rahmen des Gesamtsystems der DDB erfolgen.
Portaloberfläche und Funktionalitäten des Archivportals-D
Neben grundlegenden Informationen zu über 620 Archiveinrichtungen sind derzeit mehr als elf Millionen archivische Datensätze sowie digitalisiertes Archivgut von über 80 Archiveinrichtungen recherchierbar.7
Die Startseite des Portals ist außer durch die gewohnte Textsuche in einem Suchschlitz besonders durch die Strukturrecherche geprägt: Nutzer können hier direkt die Archivlandschaft durch Filterkriterien über sogenannte Facetten auf relevante Archive eingrenzen, um nur deren Inhalte zu durchsuchen. Unter der Überschrift »Archive finden« lassen sich Archiveinrichtungen nach den Merkmalen Bundesland, Archivsparte und Anfangsbuchstabe filtern. Verschiedene Werte können dabei miteinander kombiniert und eine Mehrfachauswahl innerhalb einer Suchgruppe getroffen werden. Auffindbar sind so Adressinformationen, Lagekarten und gegebenenfalls der Einstieg über die Archivtektonik zu den jeweils bereitgestellten Beständen und Findmitteln.
In der Detailansicht eines Objekts ist seine Verortung in der Archivtektonik und/oder Klassifikation deutlich hervorgehoben. Diese Strukturinformationen sind wiederum anwählbar und auch ein Vor- und Zurückblättern bei Treffern derselben Ebene ist möglich. Die Objektdetails enthalten neben den Erschließungsangaben u. a. auch Links zur Anzeige desselben Treffers im spartenübergreifenden Kontext der DDB und im System des Datenlieferanten.
Zu weiteren Features des Portals zählen die Möglichkeit, schon in der Trefferliste Kontextinformationen zu einem Objekt einzublenden, und das Speichern interessanter Fundstücke in persönlichen – privaten oder öffentlichen – Merklisten. Ebenso können Detailseiten und Ergebnislisten als PDF-Dokument heruntergeladen werden und archivfachliche Begriffe sind mit einem erläuternden Glossar verknüpft.
Perspektiven für die Wissenschaft und Ausblick für die Weiterentwicklung
Die Vorteile, die wissenschaftlichen Nutzern durch das Archivportal-D in Verbindung mit der DDB entstehen, liegen auf der Hand: Archivbesuche in verschiedenen Archiven können durch eine Vorabrecherche in einer Plattform besser vorbereitet und Rechercheaufwände vor Ort zuverlässiger im Vorfeld kalkuliert werden. Durch die Datenintegration in mehrere Plattformen zugleich wird Nutzern auf ganz unterschiedlichen Wegen ein Zugriff auf die vielfältigen Quellen gewährt, bei denen sich stets neue Zusammenhänge zeigen und verschiedene Zielgruppen, Suchstrategien und Forschungsansätze berücksichtigt werden können. Ein weiterer Vorzug von DDB und Archivportal-D für wissenschaftliche Nutzer besteht in der Bereitstellung semantisch vernetzter Informationen unterschiedlicher Herkunft: In der interdisziplinären Sicht der DDB können archivische Inhalte bei entsprechender Datenqualität (u.a. Anreicherung mit Normdaten) semantisch vernetzt mit den Inhalten anderer Sparten recherchiert werden.
Über das Application Programming Interface (API) der DDB werden die in der bedingungslosen Lizenz CC0 bereitgestellten archivischen Erschließungsinformationen für die maschinelle Nachnutzung verfügbar gemacht und sind für andere Anwendungen wie spezielle Frontend-Sichten oder Forschungsdatenbanken im Bereich der Digital Humanities nachnutzbar.8
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die deutschen Archive mit dem Archivportal-D und mit der Beteiligung an der DDB einen wichtigen Schritt vorangehen, um ihrer Funktion als Informationsdienstleister und Informationsinfrastruktureinrichtungen gerecht zu werden. Im Fokus steht die Bereitstellung der Online-Ressourcen sowohl im spartenübergreifenden Kontext als auch in der fachlich angemessenen archivspartenspezifischen Form. Dabei begrüßen es die Archive umso mehr, wenn dieser Weg auch von anderen Sparten gegangen wird. Das heißt, dass beispielsweise die deutschen Museen und Bibliotheken sowohl sparten- als auch materialspezifische Sichten auf ihre Daten in der DDB aufbauen und andererseits die DDB insgesamt zu einem umfassenden spartenübergreifenden »Research-and-Discovery-System« – also zu einem umfassenden Nachweissystem des kulturellen Erbes für die Wissenschaft ausgebaut wird.
1 Die angegebenen URLs wurden zuletzt am 15.3.2016 abgerufen.
2 Zum Archivportal-D siehe zuletzt: Gerald Maier, Christina Wolf, Das Archivportal-D. Neue Zugangswege zu Archivgut innerhalb der Deutschen Digitalen Bibliothek, in: Ellen Euler u.a. (Hg.), Handbuch Kulturportale. Online-Angebote aus Kultur und Wissenschaft, Berlin / Boston 2015, S. 180 – 190.
3 Stand: 15.3.2016.
4 Archivische Regionalportale sind zum Beispiel: Archive in Nordrhein-Westfalen
(www.archive.nrw.de), Archivportal Thüringen (www.archive-in-thueringen.de), Archivportal Niedersachsen (www.arcinsys.niedersachsen.de/arcinsys/start.action), ARIADNE – Archivverbund Mecklenburg-Vorpommern (www.ariadne.uni-greifswald.de).
6 Näheres zum Projekt: www.landesarchiv-bw.de/web/54267.
7 Stand: 15.3.2016.
8 https://api.deutsche-digitale-bibliothek.de/doku/display/ADD/API+der+Deutschen+
Digitalen+Bibliothek.

Gerald Maier ist stellvertretender Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg und seit 2002 Bundesratsbeauftragter für »Digitalisierung und Online-Zugänglichkeit kulturellen Materials«. An der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart lehrt er als Honorarprofessor die Erhaltung digitaler Information und die Digitalisierung von Kulturgut.
Christina Wolf leitet im Landesarchiv Baden-Württemberg die Koordinierungsstelle Digitalisierung. Nach der Mitarbeit in mehreren Projekten zum Aufbau spartenübergreifender Kulturgutportale ist sie seit Beginn Projektleiterin für das DFG-Projekt »Aufbau eines Archivportals-D«.
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