Eva Schlotheuber und Frank Bösch
Die Kompetenz, schriftliche und materielle Originalquellen vergangener Zeiten entschlüsseln und für die eigenen Fragestellungen fruchtbar machen zu können, ist die Grundvoraussetzung für die Arbeit aller historisch ausgerichteten Disziplinen — nicht nur in der Geschichtswissenschaft, sondern auch in benachbarten Fächern wie den Philologien, der Philosophie, Theologie, Kunst- oder der Rechtsgeschichte. Die Fähigkeit zur eigenständigen Erschließung und wissenschaftlichen Würdigung (Quellenkritik) der Originalüberlieferung markiert einen wesentlichen Unterschied zwischen Geschichtsinteresse und Forschung.
Vormoderne Quellen
Für die Vermittlung dieser Kompetenzen (Paläografie, Kodikologie, Epigrafik, Diplomatik, Numismatik, Aktenkunde, Heraldik, Siegelkunde) sind die Historischen Grundwissenschaften zuständig, die heute jedoch aus der deutschen Hochschullandschaft zu verschwinden drohen. Zwischen 1997 und 2011 hat das Fach ein Drittel der Lehrstühle verloren. Die Situation wird durch die parallel stattfindende Reduzierung mittellateinischer Studienangebote, die traditionell grundwissenschaftliche Ausbildung in Paläografie, Kodikologie und Bibliotheksgeschichte einschließen, weiter verschärft.
Grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten drohen deshalb nicht nur bei den Studierenden, sondern langfristig auch bei den Lehrenden in einem Maße abzunehmen, dass die kulturelle Überlieferung der Vergangenheit nicht mehr eigenständig erschlossen und beurteilt werden kann. Bereits jetzt ist die Kompetenz, mittelalterliche, frühneuzeitliche und selbst Handschriften und Akten bis zum frühen 20. Jahrhundert sowie antike oder mittelalterliche Inschriften, Texte oder Papyri lesen und einordnen zu können, an vielen universitären Standorten fast verschwunden. Ein regelmäßiges Angebot der Historischen Grundwissenschaften existiert nur noch an wenigen Universitäten. Einst gehörte das Fach zu den international angesehensten Disziplinen der deutschen Wissenschaft, das mit seinem herausragenden Ruf zahllose Forscherinnen und Forscher aus dem Ausland an deutsche Einrichtungen zog. Im Rahmen großer Quelleneditionen (Corpus Inscriptionum Latinarum, Inscriptiones Graecae, Monumenta Germaniae Historica) sind klassische und digitale Editionstechniken und Methoden der Quellenkritik entwickelt worden, die weltweit standardsetzend gewirkt haben. Dort, wo sie fest verankert sind und an den wissenschaftlichen Nachwuchs weitergegeben werden können, entfalten sie diese Wirkung auf internationaler Ebene auch heute noch. Auch im Bereich der Erschließung des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Handschriftenerbes gilt der in Deutschland erreichte Stand dank jahrzehntelanger Förderung durch die DFG international als vorbildlich. Auf diese Weise werden wichtige Quellenbestände systematisch der weiteren Erforschung verfügbar gemacht, ein Fundus, dessen Nutzung freilich entsprechend ausgebildete Wissenschaftsgenerationen verlangt.
Moderne und zeitgeschichtliche Quellen
Jenseits der Erschließung vormoderner Quellen sind mit der Zeitgeschichtsforschung neue Herausforderungen entstanden, für die profunde Kenntnisse der Medien- und Quellenkritik ebenso zentral sind.
Erstens hat die statistische Vermessung der Gesellschaft und der Aufstieg der Sozialwissenschaften dazu geführt, dass Historiker zunehmend mit den Ergebnissen von komplexen Datenerhebungen arbeiten, ohne deren Entstehung nachvollziehen zu können. Um sie nicht naiv zu übernehmen, sind Kenntnisse über die jeweiligen Erhebungstechniken von Nöten.
Zweitens haben visuelle, auditive und audiovisuelle Quellen einen herausragenden Status für die Geschichte des 20. Jahrhunderts, ohne dass jedoch Historikerinnen und Historiker bislang adäquat in ihre Analyse eingeführt werden. Auch digitalisierte Massenquellen (etwa Zeitungen) bilden methodisch eine neue Herausforderung. Die Vermittlung von grundlegenden medienanalytischen Werkzeugen ist daher als Teil der Historischen Grundwissenschaften unerlässlich.
Drittens ist die Geschichtswissenschaft nicht mehr in erster Linie national zentriert. Die zunehmend globale Orientierung erfordert eine Quellenanalyse, die über die klassischen Aktenformate weit hinaus reicht. Spezifische Methoden der Zeitgeschichtsforschung, wie die Oral History, gewinnen ein neues Gewicht, ebenso Kompetenzen bei der Erforschung interkultureller Kommunikation, um global zirkulierende digitale Zeugnisse zu interpretieren.
Zu den Folgen fehlender basaler Kompetenzen
Derzeit bereitet die DFG durch zwei Pilotphasen eine systematische Digitalisierung historischer Originalquellen im Open Access durch eine gemeinsame Anstrengung der Bibliotheken und Archive vor, was mit einem großen finanziellen Einsatz verbunden sein wird. Dementsprechend wird ein nennenswerter Teil der für die historische Forschung und fachspezifische Informationssysteme bereitgestellten Gelder für Digitalisierungsvorhaben und moderne Verwaltungssysteme der Digitalisate aufgewendet, was grundsätzlich zu begrüßen ist und im Interesse der deutschen Geschichtswissenschaft liegt, die sich für die Herausforderungen der digitalen Ära außergewöhnlich breit geöffnet hat. Nur läuft diese sinnvolle Investition wissenschaftlich ins Leere und kann ihr Potenzial nicht entfalten, wenn die wissenschaftliche Community sukzessive die Fähigkeit verliert, dieses immense und zunehmend besser zugängliche kulturelle Erbe adäquat zu erschließen und für die eigene Forschung fruchtbar zu machen. Sie muss vielmehr notwendiger Weise flankiert werden durch eine Verankerung von Grundwissenschaften an möglichst allen Historischen Seminaren, die systematisch die Kompetenz zur wissenschaftlichen Arbeit mit den historischen Materialien und zusätzlich auch fachbezogene digitale Kompetenzen vermitteln. Dies gilt in gleicher Weise für die quellenbasiert arbeitenden Philologien und andere historisch ausgerichtete Disziplinen, deren spezifische Zugangsweisen zum kulturellen Erbe in der akademischen Ausbildung abgebildet werden müssen.
Die Hochschulen erkennen nicht hinreichend die Problematik, dass hier einerseits Wissen verloren geht, das später nur schwer wieder an den Universitäten etabliert werden kann, und andererseits auch keine Fähigkeiten vermittelt werden, die der digitalen Herausforderung an unser Fach gerecht werden. Beides ist heute unverzichtbar und trifft bei Studierenden und Nachwuchswissenschaftlern auch auf ein großes Interesse. Die Seminare und Sommerakademien, in denen das Arbeiten mit den Originalquellen eingeübt wird, sind ebenso attraktiv und stark nachgefragt wie jene, in denen digitale Kompetenzen vermittelt werden. Ein Ersatz für systematische Grundbildung aber können solche Sommerschulen niemals sein. Wer sich in diese Richtung bewegt und die Grundwissenschaften – statt sie zu erweitern – aus dem regulären Studienablauf ausgliedert, der riskiert:
Erstens, dass die deutsche Forschung den Anschluss an die angelsächsische Forschung verliert, die sich aktuell im Bereich der Grundwissenschaften noch stark an Deutschland und Österreich mit seinen dort verbliebenen und nach wie vor herausragenden grundwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen orientiert und diesen zugleich breit um fachbezogene digitale Fähigkeiten erweitert hat.
Zweitens droht durch den dramatischen Mangel an grundwissenschaftlichen Kompetenzen die Anschlussfähigkeit der universitären Forschung an die kulturbewahrenden Institutionen, wie Bibliotheken, Archive und Museen gänzlich verloren zu gehen. Sie sind in entscheidendem Maße darauf angewiesen, dass Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler für die Bearbeitung und Nutzung ihrer Bestände an den Universitäten gut und umfassend ausgebildet werden können.
Integration der Digital Humanities
Die Historischen Grundwissenschaften vermitteln die notwendigen und basalen Kompetenzen, um unser kulturelles Erbe zu erschließen und für die eigene Zeit fruchtbar zu machen. Sie werden in den Sammlungen und Museen, in den Archiven und Bibliotheken ebenso dringend benötigt wie die Fähigkeit, die Möglichkeiten und neuen Horizonte der Digital Humanities adäquat nutzen zu können. Nur durch eine Integration der Digital Humanities kann sich hier die entscheidende Synergie entfalten, nur so können ihre Ergebnisse im wissenschaftlichen Diskurs aufgegriffen, aus verschiedenen Perspektiven geprüft und in unterschiedlichen Kontexten fruchtbar gemacht werden. Die Zusammenarbeit und Synergie von Universität und außeruniversitären Institutionen hat in der Vergangenheit nicht unwesentlich zur Attraktivität deutscher Forschungseinrichtungen und zu dem international großen Renommee der deutschen Forschung auf diesem Gebiet beigetragen. Wenn das kulturelle Erbe durch Digitalisierung einer breiten wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, müssen die historisch arbeitenden Disziplinen umso mehr dafür Sorge tragen, dass die Fähigkeiten, mit diesem Erbe angemessen umzugehen, nicht verloren gehen und immer wieder neu erworben werden können.
Fazit
Die »digitale Wende« erfordert somit mehr und vertiefte Kompetenzen sowohl in der klassischen Quellenkritik als auch der Medienkritik. Die Entgrenzung des Zugangs zu historischen Originalquellen durch Open Access muss mit einer wachsenden Kompetenz der heutigen und zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer in der Quellen- und Medienkritik einhergehen. Nur so können wissenschaftliche Standards nachhaltig gewahrt werden und die Ergebnisse deutscher Forscherinnen und Forscher international standhalten. Diese Kompetenzen zu vermitteln, gehört zu den genuinen Aufgaben der universitären Ausbildung der Geschichtswissenschaften. Mit der augenblicklichen Ausstattung der Historischen Institute oder Seminare ist diese gewachsene und im Prozess der digitalen Wende aktuelle dringliche Aufgabe aber nicht zu leisten. Hier sind das Fach, die Universitäten und die Politik aufgerufen, neue Lösungen zu finden. – Autoren: Eva Schlotheuber / Frank Bösch
Auf einen Blick
- Historische Grundwissenschaften sind die Kompetenz, schriftliche und materielle Originalquellen vergangener Zeiten zu entschlüsseln und für eigene Fragestellungen fruchtbar zu machen
- Die Historischen Grundwissenschaften betreffen vormoderne, neuzeitliche und zeitgeschichtliche Quellen als auch deren Digitalisate
- Die »digitale Wende« erfordert somit mehr und vertiefte Kompetenzen sowohl in der klassischen Quellenkritik als auch der Medienkritik
- Nur eine feste Verankerung der Historischen Grundwissenschaften in den Lehrplänen des Faches Geschichte verhindert einen drohenden Kompetenz- und Reputationsverlust der deutschen Forschung
Angela Stilwell
-Ein Punkt fehlt mir noch: Zur Quellenkritik digitaler Unterlagen gehört auch, sich klarzumachen, dass viele digitale Unterlagen ursprünglich in den Behörden anders aussahen und bearbeitet wurden, als dies im Archiv dann ist. Durch Migration in sichere Archiv-Formate und teilweise Neustrukturierung der Daten müssen sich die Forschenden ganz neu mit den Quellen beschäftigen. Dazu gehört eine gute Dokumentation der Archive, aber eben auch entsprechendes Wissen in der Forschung.
Margit Mersch
-Ganz herzlichen Dank für Eure/Ihre Initiative, die ein zentrales Problem unseres Faches an eine weitere Öffentlichkeit hebt. Hintergrund und Ursache der Problematik sind freilich in den größeren Rahmen der (nicht nur in unserem Fach) mangelhaften Sicherung grundlegender und dauerhafter Aufgaben der akademischen Ausbildung zu stellen. Große Teile dieser etwas unschön ‚Dauerlast‘ genannten Leistungen werden allzu häufig in verschleiernder Weise von Mitarbeiter*innen auf befristeten Stellen erbracht. Immer weitere Einsparungen zwingen offenbar dazu, während man versucht, Finanzierungslücken durch die Einwerbung von (ebenfalls befristeten) Drittmitteln zu überbrücken. Es mutet manchmal schon absurd an, dass ein Großteil des akademischen Alltags aus der Entwicklung von Forschungsanträgen besteht, mit denen Gelder für individuelle exzellente Forschung eingeworben werden, während für die Sicherstellung der Ausbildung, die erst zu einer solchen exzellenten Forschung führen kann, weder Zeit noch Geld zur Verfügung stehen. Die Lücken, die hier in die Grundausstattung und damit in die Grundausbildung gerissen wurden, sind keine kleineren Fehlstellen, sondern werden langfristige Folgen für die deutsche Forschungslandschaft zeitigen.
Ich stimme Eurem/Ihrem Beitrag inhaltlich vollauf zu und halte es für dringend notwendig, dass die im Fazit geforderte Anstrengung von Fach, Universitäten und Politik zur Findung neuer Lösungen in einem gemeinsamen Rahmen und in größerer Öffentlichkeit stattfindet. Es ist sicher eine richtige Argumentation, auf den engen Zusammenhang von Grundwissenschaften und digitaler Wende hinzuweisen, und sicher lassen sich hier auch in Zusammenarbeit mit den Universitätsbibliotheken und den digital humanities weitere ‚Sonderinitiativen‘, wie etwa die hervorragenden Düsseldorfer ‚Sommerakademien‘ realisieren. Aber welche Möglichkeiten, welche öffentlichen Mittel, welche Ansprechpartner stehen uns zur Verfügung, wenn es darum geht, diese zentrale Aufgabe der historischen Grundausbildung als Teil der ‚Dauerlast‘ auf Dauer und an allen Instituten, nicht nur in Kursen für wenige fortgeschrittene Studierende, zu erfüllen? Es ist höchste Zeit, dass die historischen Fachgruppen/Institute/Seminare an unseren Universitäten sich nicht mehr mit der alle Beteiligten belastenden ‚Flickschusterei‘ durch befristete Stellen und Lehraufträge zufrieden geben, sondern über die jeweils eigene Hochschule hinaus (die die Problematik nicht hinreichend erkennen, wie es sehr richtig in dem Beitrag heisst) nach einer nachhaltigen Lösung suchen. Vielleicht lassen sich für’s erste überregionale Historiker*innen-Arbeitsgruppen für Gespräche mit Hochschulleitungen und Politik bilden? Diese würden allerdings einen grundsätzlichen Rückhalt und möglichst eine strukturelle Rückbindung in Ihren ‚heimischen‘ Fachgruppen benötigen. Ich hege die Hoffnung, dass diese Eure/Ihre Initiative zu weiteren Überlegungen in allen historischen Fachgruppen/Instituten und in den jeweiligen entsprechenden Gremien führt, denn alle sind betroffen.
Andrea Stieldorf
-Die von Eva Schlotheuber und Frank Bösch verfasste Stellungnahme zu den Historischen Grundwissenschaften reagiert auf die umfangreichen Digitalisierungskampagnen zur Bereitstellung vormoderner Originalquellen sowie auf die durch die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts neu hinzugekommenen visuellen, auditiven und audiovisuellen Quellengruppen, wobei man noch darauf hinweisen kann, dass zahlreiche Quellen mittlerweile nur noch im digitalen Raum entstehen und auch nur dort genutzt werden. Sie beklagen – völlig zu Recht – das zunehmende Fehlen grundlegender Kenntnisse der Quellenkritik bei immer mehr Generationen von Studierenden, was grundlegende Konsequenzen nicht nur für den Nachwuchs an den Hochschulen, sondern auch an den bestandserhaltenden Institutionen und weit darüber hinaus hat. Beklagen Archivare bereits „hilflose Historiker“ als Benutzer in den Archiven, so bedeutet dies, dass all die kostenintensiven Digitalisierungskampagnen wissenschaftlich wie wirtschaftlich ins Leere laufen, wenn es niemanden oder auch nur zu wenige gibt, die die Quellen lesen, beschreiben und kritisch analysieren können. Dies betrifft freilich nicht nur Historiker, sondern zahlreiche andere Disziplinen auch.
Dafür verantwortlich ist neben der Streichung zahlreicher grundwissenschaftlich ausgerichteter Lehrstühle und Professuren auch der Zuschnitt der sog. neuen Bachelor- und Masterstudiengänge, deren Struktur an zahlreichen Universitäten nur noch Einfachbachelor bzw. -master vorsieht, selten Zweifachstudiengänge und nur in wenigen Fällen im Bachelor das Studium eines Hauptfaches mit zwei Nebenfächern erlaubt. Doch war es vor allem die Option Nebenfach, die den Studierenden in den „alten“ Magisterstudiengängen auch die Historischen Grundwissenschaften attraktiv machte. Der weitgehende Wegfall dieser Möglichkeit bedeutet eine geringere Sichtbarkeit der Historischen Grundwissenschaften in der deutschen Hochschullandschaft – ein Umstand, der in Zeiten, in denen Visibilität als Qualitätsmerkmal gilt, geradezu fatal ist. Die von Studierenden besuchten, häufig auch selbst (mit-)finanzierten Summer Schools zu grundwissenschaftlichen Themen, die derzeit boomen, zeigen, dass die Studierenden eigentlich weiter als die Hochschulpolitik sind: Sie haben die Bedeutung der Historischen Grundwissenschaften als eine Gruppe von Disziplinen, die quellen- und medienkritisches Arbeiten in besonders intensiver Weise vermitteln und damit die Erschließung historischer Zeugnisse ermöglichen, erkannt!
Dennoch gleichen diese zusätzlichen, meist einwöchigen Blockseminare das Manko im regulären Lehrbetrieb nicht aus; dies gilt sowohl für die klassischen Grundwissenschaften als auch für die Digital Humanities. Notwendig wäre in einem ersten Schritt, die Wechsel zwischen den Studienorten in Deutschland auch während der Bachelor- und Masterstudiengänge zu erleichtern, etwa auch in dem Sinne, dass man nach einem Semester an einer anderen Universität wieder an die Wunschuniversität zurückkehren und dort den angestrebten Studienabschluss erwerben kann. Dies würde Studierenden ermöglichen, für ein Semester an eine der wenigen Universitäten zu gehen, die noch ein grundwissenschaftliches Studienangebot bereithalten, um dort intensiver als in einer Summer School die von den Grundwissenschaften vermittelten quellenkundlichen und quellenkritischen Kenntnisse zu erlangen; dies ist sicher bereits kurzfristig zu erreichen. Mittelfristig allerdings müssten die Historischen Grundwissenschaften und die Digital Humanities breiter an den deutschen Hochschulen verankert werden – personell ebenso wie in den Studienplänen und -ordnungen.
Ein weiteres gilt es zu bedenken: Die Historischen Grundwissenschaften sind nicht nur Lehrdisziplinen, die nützliche Kenntnisse vermitteln, mit denen wichtige Quellengruppen erst erschlossen werden können, sie sind Wissenschaften auch in dem Sinne, dass hier Forschung betrieben wird – und die Forschungsleistung der Grundwissenschaften sollte in der aktuellen Diskussion ebenfalls berücksichtigt werden. So leisten die Grundwissenschaften neben der Grundlagenforschung beispielsweise in Editionen und der Erstellung von Siegel- und Münzkatalogen wichtige Beiträge zur Erforschung von Schriftlichkeit, Medialität, Visualität uvm. und dies nicht nur auf das Mittelalter bezogen sondern epochenübergreifend. Allerdings wird dies meist nicht als Leistung genuin grundwissenschaftlicher Methoden und Fragestellungen begriffen. Die grundwissenschaftlich arbeitenden Fachvertreterinnen und -vertreter sollten sich zusammentun, u.a., um stärker für Außenwirkung zu sorgen, indem etwa die Grundwissenschaften künftig mit eigenen Sektionen auf Historikertagen und Symposien des Mediävistenverbandes etc. vertreten sind. Letzten Ende hängen Visibilität und Leistungsfähigkeit der Grundwissenschaften in Lehre und Forschung auf Dauer zusammen.